Im Zuge der allgemeinen Untersuchung der p-adischen Kapitulationsarten von
Grundkörpern K mit (erster) p-Klassengruppe Clp(K) ≅ Gal(K1|K) vom Typ (p,p)
und zweiter p-Klassengruppe G = Gal(K2|K) von maximaler Klasse,
wobei K ≤ K1 ≤ K2 ≤ …
den Turm der unverzweigten (Hilbertschen) p-Klassenkörper über K bedeutet,
stellt sich heraus, dass alle ungeraden Primzahlen p ein übereinstimmendes Verhalten aufweisen,
der dyadische Fall p = 2 hingegen eine irreguläre Sonderrolle spielt.
Zwar fügen sich die 2-Gruppen G mit Kommutatorfaktorgruppe G/G' vom Typ (2,2)
zwanglos in die Theorie von N. Blackburn [Bl] ein,
aber die 2-Verlagerungen (2-Transfers) einer solchen 2-Gruppe G
in ihre drei maximalen Normalteiler Mi (i = 1,2,3)
sind durch abweichende Terme gegeben und bewirken irreguläre 2-Kapitulationsarten.
Ich werde nun zeigen, dass man durch die explizite Berechnung der Terme für die 2-Verlagerungen
präzisere Aussagen über die dyadischen Kapitulationsarten erhält als mit der kohomologischen Methode
von H. Kisilevsky [Ki],
welche nur die Fälle A und B im Sinne von O. Taussky zu unterscheiden gestattet.
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Dazu gehe ich aus vom folgenden grundlegenden
Satz von Burnside (1897):
Für eine 2-Gruppe G von der Ordnung |G| = 2m mit Kommutatorfaktorgruppe G/G' vom Typ (2,2)
gibt es folgende Möglichkeiten:
Entweder m = 2 und G selbst ist abelsch vom Typ (2,2)
oder G ist nicht-abelsch mit m ≥ 3 und G ist isomorph
-
zur Quaternionengruppe der Ordnung 2m, Q(2m) =
< x,y | x4 = 1, y2m-1 = 1, x2 = y2m-2, yx = xy-1 >
-
oder zur Diedergruppe der Ordnung 2m, D(2m) =
< x,y | x2 = 1, y2m-1 = 1, yx = xy-1 >
-
oder, falls sogar m ≥ 4, zur Semidiedergruppe der Ordnung 2m, SD(2m) =
< x,y | x2 = 1, y2m-1 = 1, yx = xy2m-2-1 >
Folgerungen:
Eine 2-Gruppe G von der Ordnung |G| = 2m, m ≥ 3, mit Kommutatorfaktorgruppe G/G' vom Typ (2,2)
-
ist metabelsch, weil die Kommutatorgruppe G' = < y2 > zyklisch ist,
-
ist von maximaler Klasse, cl(G) = m-1,
weil die Glieder der absteigenden Zentralreihe gegeben sind durch
Gi = < y2i-1 > für 2 ≤ i ≤ m, also Gm = 1,
-
besitzt 3 maximale Normalteiler vom Index 2,
einen zyklischen M1 = < y,G' > = < y >
und zwei nicht-abelsche
M2 = < x,G' > = < x,y2 >,
M3 = < xy,G' > = < xy,y2 >,
-
erfüllt die Relationen von Blackburn bzw. Miech [Mi]:
Erklärung des Hauptkommutators s2 = [y,x] ∈ G2 = G',
rekursive Erklärung der höheren Kommutatoren si = [si-1,x] ∈ Gi für i ≥ 3,
woraus sich explizit ergibt, dass si = y(-2)i-1 für 2 ≤ i ≤ m.
(Für SD(2m) haben wir hierbei die folgende Kongruenz benützt:
(2m-2-2)i ≡ (-2)i (mod 2m-1) für m ≥ 4 und i ≥ 2.)
Insbesondere ist der Erzeuger des Zentrums sm-1 = y2m-2 von der Ordnung 2.
Ganz offensichtlich folgt [si,y] = 1 für i ≥ 2, also α = 0 und β = 0
in der Relation [y,s2] = sm-2αsm-1β.
Die zweiten Potenzen sind gegeben durch
x2 = sm-1δ
mit δ = 0 für G = D(2m), SD(2m) und δ = 1 für G = Q(2m),
y2s2 = sm-1γ
mit γ = 0 für G = Q(2m), D(2m) und γ = 1 für G = SD(2m).
(Miech verwendet die Bezeichnungen a(m-2) = α, a(m-1) = β, z = γ, w = δ.)
In der Bezeichnungsweise Gβm(γ,δ) mit den Parametern von Blackburn,
wobei α unberücksichtigt bleibt, weil es nur für p-Gruppen mit p ≥ 5 von Null verschieden sein kann,
gibt es also die folgenden Isomorphieklassen von 2-Gruppen in CF(m,m;2):
2 Klassen G03(0,0)= D(8), G03(0,1) = Q(8) für m = 3 und
3 Klassen G0m(0,0)= D(2m), G0m(1,0)= SD(2m),
G0m(0,1) = Q(2m) für m ≥ 4.
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Nach diesen Vorbereitungen komme ich zur Berechnung der
Kommutator- und Kommutatorfaktorgruppen der 3 maximalen Normalteiler
unter Verwendung symbolischer Potenzen von Elementen im abelschen Normalteiler G'.
Zunächst die Kommutatorgruppen:
M1' = (G')y-1 = < y2 >y-1 = 1,
M2' = (G')x-1
= < y2 >x-1 = < [y2,x] > = < y4 > = G3,
M3' = (G')xy-1
= < y2 >xy-1 = < [y2,xy] > = < y4 > = G3,
ganz in Übereinstimmung mit den Ergebnissen für beliebige Primzahlen p ≥ 3 statt p = 2.
Bei den Kommutatorfaktorgruppen treten bereits Besonderheiten von p = 2 auf:
M1/M1' = M1 = < y > ist zyklisch von der Ordnung 2m-1, aber
M2/M2' = < x,y2 > / < y4 > und
M3/M3' = < xy,y2 > / < y4 >
sind zyklisch von der Ordnung 4 nur für G = Q(8), also m = 3,
hingegen bizyklisch vom Typ (2,2) für G = D(2m), SD(2m) und G = Q(2m) mit m ≥ 4.
Damit kennen wir die Struktur der 2-Klassengruppen der 3 unverzweigten quadratischen Erweiterungen
des Grundkörpers K mit 2-Klassengruppe vom Typ (2,2).
Schließlich leite ich jetzt die zum Teil abweichenden Terme für die 2-Verlagerungen
Vi: G/G' → Mi/Mi' her,
die auch hier wie für allgemeines p nicht von α,β sondern nur von γ,δ abhängen:
V1(xG') = x2M1' = sm-1δ,
V1(yG') = y1+xM1' = y2s2 = sm-1γ,
V2(xG') = x1+yM2' = x2s2-1G3
= sm-1δs2-1G3,
V2(yG') = y2M2' = sm-1γs2-1G3,
V3(xG') = x2M3' = sm-1δG3,
V3(yG') = y2M3' = sm-1γs2-1G3.
Der Grund für die Abweichungen bei p = 2 ist das Auftreten des Hauptkommutators s2 in nur erster Potenz,
die nicht schon in G3 enthalten ist und somit im Term stehen bleibt.
Bis auf den Zusatzfaktor s2-1 stimmen die Terme für p = 2 jedoch
mit jenen für allgemeines p überein.
Während sich V1 regulär verhält, wirken sich die Zusatzfaktoren bei den Termen
für V2 und V3 entscheidend auf die Verlagerungskerne und somit auf die Kapitulationsart aus.
Ein Element g ∈ G = < x,y,G' > kann in der Gestalt g ≡ xjyk (mod G') mit 0 ≤ j,k ≤1
dargestellt werden und die Kerne von Vi: G/G' → Mi/Mi' mit 1 ≤ i ≤ 3 sind bestimmt durch
V1(gG') = sm-1jδ + kγ = M1' = 1,
V2(gG') = sm-1jδ + kγs2-(j+k)G3 = M2' = G3,
V3(gG') = sm-1jδ + kγs2-kG3 = M3' = G3.
Folglich ist
Ker V1 = G/G' bzw. M1/G' bzw. M2/G'
für (γ,δ) = (0,0) bzw. (0,1) bzw. (1,0),
gleich wie im Fall p ≥ 3.
Aber für Mi' = G3
müssen wir die Werte m = 3 (mit sm-1 = s2) und m ≥ 4 (mit sm-1 ∈ G3) unterscheiden:
V2(gG') = s2j(δ-1) + k(γ-1)G3, wenn m = 3,
V2(gG') = s2-(j+k)G3, wenn m ≥ 4,
V3(gG') = s2jδ + k(γ-1)G3, wenn m = 3,
V3(gG') = s2-kG3, wenn ≥ 4.
Folglich ist
Ker V2 = M3/G' bzw. M2/G' für m ≥ 4 oder G = D(8) bzw. G = Q(8) und
Ker V3 = M2/G' bzw. M3/G' für m ≥ 4 oder G = D(8) bzw. G = Q(8).
In der nachstehenden Tabelle stelle ich die p-adischen und dyadischen Kapitulationsarten
von p-Gruppen mit p ≥ 3 bzw. 2-Gruppen maximaler Klasse einander gegenüber,
wobei ich auch die Berechnungsmethode angebe.
(Bei der kohomologischen Methode von Kisilevsky [Ki] bedeutet B den Fall B im Sinne von Taussky.)
Für weitere Aspekte der Theorie der metabelschen 2-Gruppen verweise ich auf die Arbeiten von
E. Benjamin, F. Lemmermeyer und C. Snyder
[BS], [BLS1], [BLS2], [Bj].
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